Blockchain 1.0 Basics

Wissenswertes zum „Gamechanger“ der Finanzbranche

Block 1 – Die Diskussion

Kaum ein anderes Thema sorgt derweil in den Vorstandsetagen der Global Player der Finanzbranche für mehr Furore als die ominöse Blockchain. Binnen kürzester Zeit haben sich unter den Marktakteuren große Allianzen gebildet, um sich für die „nächste Revolution“ zu positionieren. Man befürchtet, dass diese neuartige Technologie in naher Zukunft dazu im Stande ist, sämtliche traditionelle Geschäftsbereiche der Großbanken auszuradieren. Schon längst ergreifen UBS, J.P. Morgan und Co. die Flucht nach vorn und experimentieren, wie sie die geheimnisvolle Blockchain für sich nutzbar machen können. Im Zuge dieses Wettlaufs von internationalen Banken und Start-Ups der Finanztechnologie Szene (Fintech) hat sich eine enorme Diskussions- und Informationswelle losgetreten, die sich nur schwer überblicken lässt.

Das Hauptproblem liegt in dieser wirren Gemengelage. Auf der einen Seite wird der Blockchain die Kraft einer „disruptiven Innovation“ zugesprochen, welche die Finanzbrache auf den Kopf stellen soll. Auf der anderen Seite ist vielen Beteiligten aber noch völlig unklar, wie diese Technologie exakt funktioniert und wie sie überhaupt sinnvoll genutzt werden könnte Die übergreifende Fragestellung lautet: Wie funktioniert die Blockchain und welche Verbesserungen hält sie für die Finanzbranche bereit?

Block 2 – Die Technologie

Werden in unserer heutigen Umwelt Informationen oder Werte zwischen zwei räumlich getrennten Parteien ausgetauscht, so ist dies in der Regel über verschiedenste Arten von Netzwerken möglich. Grundsätzlich kann man Plattformen oder Netzwerke Ihrer Struktur nach in drei Konzepte unterteilen. In Abbildung 1 wird Folgendes ersichtlich (vgl. Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet 2014, S. 53):

Konzepte von Netzwerk-Architekturen, modifiziert nach Deutsches Institut für Sicherheit im Internet 2016
Abb. 1: Konzepte von Netzwerk-Architekturen, modifiziert nach Deutsches Institut für Sicherheit im Internet 2016

In zentralisierten Netzwerken erfolgt jeglicher Austausch über einen zentralen Knotenpunkt, der zu jedem Zeitpunkt die komplette Kontrolle über das Netzwerk besitzt. Soziale Netzwerke wie beispielsweise Facebook stehen für diese Art von Netzwerken, denn sämtlicher Austausch der Nutzer erfolgt über die Server einer zentralen Steuerungseinheit, nämlich Facebook selbst. Die dezentralen Netzwerke zeichnen sich durch eine Mehrzahl solcher Stellen aus, was den Intermediärpositionen unseres Finanzsystems sehr nahe kommt.

In den verteilten Netzwerken hingegen ist eine direkte Verbindung der Nutzer untereinander möglich und es existiert keinerlei Abhängigkeit von zentralen Kontrollinstanzen oder Mittelstellen (vgl. Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet 2014, S. 53). Wenn nun also Informationen und Werte, nachfolgend vereinfacht als Güter bezeichnet, ohne aufwändige Zwischenstellen direkt von A nach B transferiert werden sollen, kommt dafür ausschließlich die Variante eines verteilten Netzwerks, zu engl. distributed network in Frage. Durch diese Architektur ist es ebenfalls möglich, nicht nur Güter zu transferieren, sondern derartige Bewegungen auch für alle Nutzer des Netzwerkes identisch zu protokollieren. An dieser Stelle kommt ein Kontobuch, zu engl. ledger, ins Spiel, welches in der Lage ist, alle Transaktionen des Netzwerks zu dokumentieren.

Die Kombination aus verteiltem Netzwerk und transparentem Kontenbuch nennt sich dann Distributed Ledger Technologie. Man beschreibt sie auch als „ein digitales Register, in dem sich Transaktionen aller Art dokumentieren und nachvollziehbar ablegen lassen“ (Reuter/Wendt 2016, o.S.). Veranschaulicht bedeutet dies, dass alle Nutzer eines Netzwerks über die gleiche Transaktionshistorie von Gütern verfügen, diese sogar legitimieren und teilen können. Dies steht im starken Kontrast zu bisherigen zentralen Systemen, bei denen via Multi- oder Master-Ledger, alle Netzwerkteilnehmer ihre eigenständigen und abgeschotteten Ledger pflegen und dadurch Schnittstellen nur umständlich zu managen sind.

Block 3 – Die Innovation

Wo liegt nun der große Mehrwert gegenüber zeitgenössischen Zahlungsverkehrssystemen?

„Anstatt jede einzelne Transaktion durch eine vertrauenswürdige Buchungsstelle, zum Beispiel eine Clearingstelle, mithilfe eines „Master-Ledger“ (Zentralverzeichnis) festhalten, überprüfen und genehmigen zu lassen, bietet die DLT die Möglichkeit, die transferierten Vermögensgegenstände dezentral durch systemimmanente Prozesse zu verbuchen und zu bestätigen“ (Geiling 2016, o.S.).

Wenn nun legitimierte Teilnehmer eines DLT basierten Netzwerks Transaktionen darüber ausführen, werden diese umgehend im gesamten System bei allen anderen Teilnehmern verifiziert und protokolliert. Dies gewährleistet ein hohes Maß an Effizienz, Transparenz und Sicherheit, da nicht-autorisierte Änderungen im Ledger nur durch die Mehrheit seiner Nutzer verifiziert werden könnten (vgl. UK Government Office for Science 2016, S. 9 – 10). Somit zeigt sich, dass die DLT zum Einen für den Handel von Waren und zum Anderen für die Registrierung von Herkunft und Echtheit von Gütern praktikable Einsatzmöglichkeiten bietet. Daraus resultiert, dass Anwender direkt miteinander verbunden sind und der Bedarf einer zentralen Autorität verschwindet (vgl. Geiling 2016, o.S.).

Als einzigartiges Praxisbeispiel hierfür lässt sich das Londoner Start-Up „Everledger“ heranziehen. Das Unternehmen nutzt einen Distributed Ledger um die Echtheit und Herkunft von Diamanten zu verifizieren. In einer Umwelt, in der mit illegal geförderten und gehandelten Diamanten, sogenannten Blutdiamanten, Kriege und Terror finanziert werden, versucht die Everledger Blockchain Kriminellen den Nährboden der Intransparenz zu entziehen. In ihrem Netzwerk werden für lasermarkierte Diamanten Echtheits-, Transaktions- und Herkunftszertifikate gespeichert und wie ein digitaler Fingerabdruck geteilt. Damit wird es immer schwieriger für Kriminelle, diese Edelsteine in den legalen Umlauf zu bringen (vgl. Caffyn 2015, o.S.).

Die Hauptcharakteristik eines verteilten Ledger zeigt sich darin, dass er von nicht kooperierenden Teilnehmern betrieben wird und diese aber gemeinschaftlich über die „Buchführung“ bestimmen. Doch wie sollen anonyme Teilnehmer über eine unvorstellbar komplexe Transaktionshistorie entscheiden können? Dies funktioniert nur durch einen automatisierten, kryptographischen Konsens-Prozess, der wie ein hochkomplexes Mathematikrätsel programmiert ist. Die schnellste Lösung dieser Aufgabe ermöglicht es schließlich, Änderungen am Ledger, beispielsweise die Aufnahme und Ausführung neuer Transaktionen, zu vollziehen. Nur wenn die Mehrheit eine Änderung legitimiert, kann ein neuer Eintrag stattfinden. Somit bleiben immer alle Teilnehmer Herr eines identischen Ledger. Im Detail ist dieser mathematische Prozess der Konsensbildung von der Spieltheorie abgeleitet, denn weder der einzelne Nutzer noch eine größere kooperierende Gruppe könnte je effektiv die Kontrolle über den Ledger ergreifen. Dies macht das Konzept immun gegenüber Fehlverhalten und Manipulationen einzelner Stellen (vgl. Bosch/Grewe 2016, S. 7 – 8).

Block 4 – Die Blockchain

Aus dem Konzept der DLT haben sich in jüngster Vergangenheit eine Vielzahl an Ausprägungsformen gebildet. Die wohl bekannteste unter Ihnen ist die viel zitierte Blockchain:

„Die Blockchain funktioniert wie ein digitales Kassenbuch. Wenn Person A einer Person B Geld leiht, wird diese Transaktion auf den Computern aller an der Blockchain Beteiligten dokumentiert. Das Gleiche passiert, wenn B später einen Teil des Geldes an C oder D weiterreicht. Alle diese Daten werden dezentral gespeichert. So entsteht nach und nach eine Kette von Datenblöcken (daher der Name Blockchain), an denen nachträglich nichts gelöscht oder geändert werden kann. Das alles läuft ohne Mittelsmann ab, die Teilnehmer verifizieren die Vorgänge selbst, ohne Bank. Alles Wissen wird geteilt. Niemand hat die Macht, die Daten zu manipulieren“ (Weiguny 2016, o.S.).

Die Blockchain dient der Kryptowährung Bitcoin als „webbasiertes, dezentralisiertes, öffentliches Buchhaltungssystem aller Bitcoin-Transaktionen, die jemals getätigt wurden“ (Genovese/Hülsbömer 2016, o.S.). Dies lässt sich in der Blockchain sogar bis zur ersten aller Bitcoin-Transaktionen nachverfolgen, die ihres Zeichens im sogenannten Genesis-Block protokolliert ist. Damit steht diese Anwendung eines Distributed Ledger im starken Kontrast zur etablierten Multi-Ledger Technologie zeitgenössischer Finanzsysteme (vgl. Geiling 2016, o.S.).

„Nun ist Bitcoin als Zockerwährung und Platz für dubiose Geschäfte in Verruf geraten, das spricht aber nicht prinzipiell gegen die zugrundeliegende Technologie“ (Weiguny 2016, o.S.). Betrachtet man die Blockchain losgelöst von Bitcoin, lässt sich bereits unschwer erahnen, welche Möglichkeiten der zugrundeliegenden Distributed Ledger Technologie offen stehen.

Blockchain Ausprägungsformen, eigene Darstellung. Quelle: Arnold, Martin/Stafford, Philip/Wild, Jane 2015.
Abb. 2: Blockchain Ausprägungsformen, eigene Darstellung. Quelle: Arnold, Martin/Stafford, Philip/Wild, Jane 2015.

Die Blockchain lässt sich indes gemäß Abbildung 2 weiter terminologisch und funktional differenzieren. Eine „reine“ Blockchain ist dadurch gekennzeichnet, dass die ihr zugrundeliegenden Werte (Values oder Assets) in einem Distributed Ledger protokolliert werden. Diese sogenannten „On-Chain Assets“ werden in Form von kryptographischen Informationen direkt über die Blockchain ausgetauscht. Die Organisation und Kontrolle über diese Datenkette liegt dezentral bei allen Nutzern des Netzwerkes. Bitcoins beispielsweise funktionieren in dieser transparenten und gar anarchisch auftretenden Reinform.

In der Fachsprache ist hier auch von einer „public“ und „unpermissioned“ Blockchain die Rede. Diesem zulassungsunbeschränkten Netzwerk kann also jede Person ohne eine Zugangskontrolle beitreten. Zu Beginn wird in den meisten Fällen einmalig die Kopie der Blockchain heruntergeladen. Ab diesem Zeitpunkt befindet sich der Nutzer im Besitz aller jemals getätigten Transaktionen und kann dann in den nächsten Schritten seinen Bitcoin Verkehr einleiten (vgl. Swanson 2015, S. 21 – 22).

Daneben existiert die modifizierte Blockchain, bei der das verteilte Buch zwar dezentral auf allen teilnehmenden Rechnern liegt, die Kontrolle jedoch bei einer oder weniger Instanzen liegt. Diese bestimmen darüber, wer an der Blockchain Plattform teilnehmen darf. Hier spricht man von „permissioned“, also zulassungsbeschränkten Blockchain.

Von einer unregulierten Variante, welche ohne Kontrolle und Aufsicht funktioniert, distanziert man sich aus vielerlei Hinsicht eher. In der Praxis erweist sich nämlich die Form einer reinen Blockchain (am Beispiel Bitcoin) aus aufsichtsrechtlicher und regulatorischer Perspektive als kritisch. Deshalb wird angekommen, dass ein Engagement seitens Regierungen oder großer Unternehmen in die Kryptowährungen nicht in absehbarer Zeit eintreten wird (vgl. Brown 2015, S. 34).

Ihr gesamtes Potential entfaltet eine Blockchain jedoch erst unter der Voraussetzung, dass nicht digitale Güter, sogenannte „Off-Chain Assets“, an sie gekoppelt werden können. Dies würde es dann ermöglichen, Wertpapiere und Gegenstände zu handeln oder Verträge und Zertifikate über die Blockchain zu dokumentieren (vgl. Swanson 2015, S. 21 – 22).

Block 5 – Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein Distributed Ledger eine Art Datenbank ist, die weit über ein dezentrales Netzwerk unter allen Nutzern verteilt werden kann. In dieser öffentlichen Datenbank, die wie ein Kontenbuch funktioniert, werden alle Transaktionen zwischen den Netzwerknutzern fortgeschrieben. Diese Dokumentation kann nur stattfinden, wenn die Rechner der Teilnehmer ein mathematisches Rätsel zur Richtigkeit der Transaktionen lösen und sie auf diese Weise legitimieren (vgl. UK Government Office for Science 2016, S. 17 – 18).

Hoffnungsvoller Nebeneffekt dieser Kette aus Datenblöcken ist, dass es Betrügern nahezu unmöglich gemacht wird, Manipulationen vorzunehmen. Dafür müssten sie nicht nur ein einziges Buch, sondern alle Bücher auf allen Rechnern des Netzwerks gleichzeitig fälschen. Änderungen an bestätigten Blocks kann, wenn überhaupt umsetzbar, nur die Mehrheit der beteiligten Nutzer beschließen (vgl. Weiguny 2016, o.S.).

Für weitere Informationen werfen sie hier einen Blick in den Permissioned Blockchain Prototypen der targens GmbH. Im nächsten Blog erfahren Sie alles über die Möglichkeiten der Blockchain 2.0.

 

Literaturverzeichnis

Arnold, Martin/Stafford, Philip/Wild, Jane (2015): Technology: Banks seek the key to blockchain. Online im Internet, http://www.ft.com/cms/s/2/eb1f8256-7b4b-11e5-a1fe-567b37f80b64.html#axzz4H8JPsHq7 von 01.11. 2015, Abfrage v. 11.08.2016
Bosch, Robert/Grewe, Iris (2016): Can the nancial services industry master crypto nance? Online im Internet, http://www.bearingpoint.com/ecomaXL/files/BearingPoint-Institute_006-01_Can-the-financial-services-industry-master-cryptofinance.pdf&download=0 von 2016, Abfrage v. 11.08.2016
Brown, Richard G. (2015): A simple model for smart contracts. Online im Internet, https://gendal.me/2015/02/10/a-simple-model-for-smart-contracts/ von 10.02.2015, Abfrage v. 08.08.2016
Caffyn, Grace (2015): Everledger Brings Blockchain Tech to Fight Against Diamond Theft. Online im Internet, http://www.coindesk.com/everledger-blockchain-tech-fight-diamond-theft/ von 01.08.2015, Abfrage v. 13.08.2016
Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (Hrsg.) (2014): Braucht Deutschland einen digitalen Kodex?. Online im Interent, https://www.divsi.de/wp-content/uploads/2013/08/DIVSI-Braucht-Deutschland-einen-Digitalen-Kodex.pdf von 05.2014, Abfrage v. 12.08.2016
Geiling, Luisa (2016): Distributed Ledger: Die Technologie hinter den virtuellen Währungen am Beispiel der Blockchain. Online im Internet, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2016/fa_bj_1602_blockchain.html von 15.02.2016, Abfrage v. 13.08.2016
Genovese, Bill/Hülsbömer, Simon (2016): Was ist Blockchain?. Online im Internet, http://www.computerwoche.de/a/blockchain-was-ist-das,3227284 von 20.06.2016, Abfrage v. 10.08.2016
Reuter, Wolfgang/Wendt, Alexander (2016): "Ich glaube, dass Banken in Zukunft nicht nötig sind“. Online im Internet, http://www.focus.de/finanzen/banken/ing-vorstandsvorsitzender-ralph-hamers-ich-glaube-dass-banken-in-zukunft-nicht-noetig-sind_id_5664107.html von 25.06.2016, Abfrage v. 11.08.2016
Swanson, Tim (2015): Consensus-as-a-service: a brief report on the emergence of permissioned, distributed ledger systems. Online im Internet, http://www.ofnumbers.com/wp-content/uploads/2015/04/Permissioned-distributed-ledgers.pdf von 06.04.2015, Abfrage v. 09.08.2016
UK Government Office for Science (Hrsg.) (2016): Executive Summary and Recommendations, S. 5 - 19. In: UK Government Office for Science (Hrsg.): Distributed Ledger Technology: beyond block chain. Online im Internet, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/492972/gs-16-1-distributed-ledger-technology.pdf von 2016, Abfrage v. 12.08.2016
Weiguny, Bettina (2016): Bargeld, Banken und Betrüger. Online im Internet, http://www.faz.net/aktuell/finanzen/devisen-rohstoffe/blockchain-soll-finanzwelt-revolutionieren-14120922.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 von 16.03.2016, Abfrage v. 11.08.2016

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